Aula Lößnitzgymnasium, 27. Januar 2023, Programm Schüler*innen der 10. Klassen

Als im Verlauf des 27. Januar 1945 Soldaten dreier sowjetischer Divisionen den riesigen Lagerkomplex Auschwitz am Fluss Sola in Ostoberschlesien erreicht hatten, erlebten die Befreiung 7000 Häftlinge. 7000? Das klingt in unserem heutigen Verständnis viel, jedoch erfuhr man das Grauen erst später. Man spricht von 1 Million Getöteter. Die Opferzahlen, der in Auschwitz Ermordeten, sind nicht genau berechenbar, es waren zu viele, auch zu viele, die sofort anonym in die Gaskammern geschickt wurden. Auch zu viele  Frauen aus den unterschiedlichsten Gründen.

Auschwitz wurde zum Synonym für die Verbrechen in der kurzen Zeit einer Diktatur in Deutschland, die Menschen auf Grund einer Ideologie, einer Denkhaltung, ausschlossen, diffamierten, diskriminierten, verschleppten und schließlich ermordeten. Es konnte jeden und jede treffen.

Dieser 27. Januar ist heute der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Am Freitag fand in der Aula des Lößnitzgymnasiums die Gedenkfeier der Stadt Radebeul statt. Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen gestalteten das sehr bewegende Programm. Man spricht immer von Opfern und anonymisiert so die Verbrechen, was sind schon Millionen, es ist doch nur eine Zahl. Und Opfer? Opferinnen? Die Schüler*innen wendeten sich den Frauen zu.

Ab Ende des letzten Schuljahres recherchierten sie und versuchten Antworten auf Fragen zu finden, wer wurde warum zum Opfer in diesem System? Wer waren diese Frauen, wie sah ihre Lebensgeschichte aus? Wie sah die Rolle der Frau aus, die das System ihr zusprach?

Es entstand eine Lesung auf der Bühne, die durch Musik unterstützt wurde. Der Beginn war das normale Leben, die Frauen lachten tanzten, unterhielten sich und saßen mit farbenfrohen T-Shirts beieinander. Eine Frau grenzt sich ab, sie trägt eine strenge Kleidung, weißes Hemd, schwarzer Rock, sitzt separat zentral auf der Bühne, beginnt zu sprechen, wie sie sich sieht, als getreue deutsche Frau, die das System akzeptiert und mitträgt. Sie wendet sich gegen die Frauen, die Fremdkörper innerhalb der Volksgemeinschaft sind. Sie benennt sie: Jüdin, Assoziale (alle die Frauen, die einfach anders leben wollten), Sinti, Kommunistin, Pfadfinderin, Lesberin, Tschechin … Jede dieser Frauen tritt aus ihrem alten Leben heraus, legt das farbige T- Shirt ab, trägt eine schwarze anonyme Kleidung mit dem Symbol ihrer „Schuld“ (KZ Dreiecke) auf der Brust, setzt sich auf einen der Stühle, die im Halbkreis hinter der deutschen Frau stehen und beginnt ihre Lebensgeschichte vorzulesen. Dies geschieht in Form eines Briefes an die Angehörige als eine Art Lebenszeichen. Diese Briefe schrieben die Schüler*innen in fiktiver Form selber, angeregt durch die realen Biografien dieser Frauen.

Mit jeder Biografie wurde es den Zuhörenden schwerer zuzuhören. Die Last der Erkenntnis berührte jeden – die Verhaftung aus banalen, nichtigen Gründen, das unvorstellbare Leid, welches die Frauen durchlebten, zum Teil nicht einmal wissend, warum und im Gegenzug dazu der ständige Wechsel zu den Ansichten der deutschen arischen Frau (zum Teil mit Originalzitaten der NS Funktionäre), die dieses Vorgehen gut heißt, ohne darüber nachzudenken.

Wie löst man diese Geschichte der Schuld auf? Wie sieht es nach 78 Jahren aus? Die Schüler*innen fanden eine Antwort, sie zogen sich wieder ihre farbigen T- Shirts an, traten in ihr Leben 2023 ein und sprachen sich, dargestellt über ein Buchstabenschild, wobei jede einen Buchstaben hielt, für Vielfalt in der Gesellschaft aus, ohne Diskriminierung.

Im Anschluss konnte man sich die Bildergalerie „Frauen im Holocaust“, die durch die Stadt Radebeul zur Verfügung gestellt wurde, im Schulhaus ansehen.

Mein Dank für diesen berührenden, bewegenden Abend gilt:

der Klavierbegleitung, der Technik, allen Vorlesenden und Lotsinnen.

 

Agnes Müller

Begleitende Lehrerin

 

 

Agnes Müller

Begleitende Lehrerin