Obwohl alle glücklich waren, endlich Ferien zu haben, rafften sich 29 Schüler der 9. Klasse am Morgen des 8.02. in aller Frühe auf und wurden von Herrn Müller 8:30 Uhr vor dem Landgericht Dresden erwartet.
Dort wollten wir uns eine Gerichtsverhandlung anschauen, um den Verlauf eines strafgerichtlichen Prozesses besser nachvollziehen können. Dafür wählten wir einen Prozess, bei dem es um Verdacht des versuchten Totschlags ging. Wir waren alle sehr gespannt und nachdem die angeklagte Susanne B. mit Handschellen in den Gerichtssaal geführt wurde und die Presse Fotos machte, startete die Verhandlung 9:15.
Zuerst wurde der Tathergang vom Staatsanwalt geschildert; die Angeklagte war schwanger mit ihrem viertem Kind und gebar es in der Badewanne. Sie ließ es erst im Wasser liegen und verstaute es später in einer Reisetasche, wo es eine knappe Woche später tot gefunden wurde. Nachdem die vorsitzende Richterin Fr. Wiegand die Angeklagte fragte, ob diese etwas über ihren Lebensweg sowie die Tat aussagen will und diese bejahte, forderte die Verteidigerin der Angeklagten den Ausschluss der Öffentlichkeit. Nach einer 10-minütigen Beratung stimmten die Richter der Forderung zu, mit der Begründung, dass es eine zu starke Einsicht in das Privatleben der Angeklagten wäre und die Tat zusätzlich mit Drogenkonsum verbunden war. Deswegen war diese erste Verhandlung für uns nach 30 Minuten beendet.
Da wir nach so einem kurzen Aufenthalt nicht schon wieder nach Hause fahren wollten, entschlossen wir uns, noch eine zweite Verhandlung anzuschauen, bei der es um Hehlerei in einem Berufungsverfahren ging. Die Angeklagte Vietnamesin wohnt zwar schon sehr lange in Deutschland, konnte aber kaum deutsch sprechen, weswegen auch eine Dolmetscherin anwesend war. Trotzdem war die Verständigung während der Verhandlung sehr schwierig. Im Laufe des Prozesses bekamen wir mit, dass die Angeklagte ein Geschäft in Dresden betrieb, wo sie Lebensmittel, Kosmetikartikel, Alkohol etc. verkaufte. Hierbei war das Problem, dass sie ihre Waren bei Personen kaufte, von denen sie wusste, dass sie die Waren vorher geklaut hatten. Sie kaufte sie zu einem Preis, der niedriger war als der wahre Wert der Lebensmittel. Außerdem soll sie der Anklage nach, Listen mit benötigten Waren abgegeben haben, damit ihr „Komplize“ diese gezielt stiehlt. Der Verteidiger bzw. Rechtsbeistand der Angeklagten widersprach dem Richter und behauptete zugunsten der Angeklagten, dass es sich um viel weniger als 364 Taten gehandelt und es die vom Richter erläuterten Bestelllisten gar nicht gegeben habe. Außerdem wurde der Kronzeuge vernommen, der der Angeklagten geklaute Waren verkaufte. Wegen dieser Straftat wurde gegen den Zeugen, der im Moment selber inhaftiert ist, noch nicht ermittelt. Um sich selber nicht zu belasten, hat der Zeuge wahrscheinlich ein Aussageverweigerungsrecht. Das stört natürlich den Fortschritt der Verhandlung.
Nach über einer Stunde in der Verhandlung verließen wir den Gerichtssaal in einer Pause, weil noch kein Ende absehbar war. Der Staatsanwalt teilte uns als seine Vermutung hinsichtlich des Verlaufes des Berufungsprozesses mit, dass der Verteidiger wahrscheinlich das bisherige Strafmaß von 2 Jahren und 6 Monaten auf eine kürzere Zeit beschränken will und das Aussetzen der Strafe zur Bewährung erreichen will.
Insgesamt war es ein sehr interessanter Tag, auch wenn der Ausschluss im ersten Fall etwas enttäuschend für uns war.

Teresa Bokern; 9/2