Boris Zabarko – „Nur wir haben überlebt – Holocaust in der Ukraine“

Am 23. Mai fand in der Aula des Lößnitzgymnasiums mit den 9. Klassen ein Zeitzeugenbericht eines Überlebenden des Holocaust in der Ukraine statt.

Ermöglicht wurde der Kontakt durch Frau Marlies Müller von der Maximilian Kolbe Stiftung.

Boris Zabarko, Jude, geboren im Gebiet Cherson, welches 1939 erst von deutschen, dann rumänischen Truppen besetzt wurde. In seiner Heimatstadt errichteten die Deutschen und Rumänen ein Ghetto (abgegrenztes Gebiet, in dem die jüdische Bevölkerung abgetrennt von der übrigen Bevölkerung leben musste) in den rund 330 Häusern mit ungefähr 6000 ukrainischen und rumänischen Juden. Dies bedeutet, dass jede Familie in ihren Häusern 18 Deportierte aufnehmen musste.

Herr Zabarko, selbst ukrainischer Historiker und Präsident der ukrainischen jüdischen KZ – und Ghettoüberlebenden, hat seine Geschichte und die Geschichte der wenigen Überlebenden in mehreren Büchern zusammengetragen und diese veröffentlicht. Also den unbekannten Opfern eine Stimme gegeben.

Das Besondere daran? Zwei Dinge stellten sich heraus. Erstens, die jüdischen Überlebenden durften in der Sowjetunion nach dem Krieg 1945 nicht darüber erzählen, dass sie in einem okkupierten (besetzten Gebiet) den Krieg und die Verfolgung überlebt hatten, weil ihnen sofort vorgeworfen wurde, sie hätten mit dem Feind zusammengearbeitet. Also wurde die Erinnerung bis 1991 verschwiegen und erst da begann die nun unabhängige Ukraine ihre Geschichte aufzuarbeiten und auch den vielen Opfern zu gedenken. Führend dabei war und ist Herr Zabarko. Und nun die zweite Besonderheit. Diese Geschichten wurden durch eine anfängliche Privatinitiative des Ehepaares Müller aus Köln in die Sprache der ehemaligen Täter und Besetzer übersetzt und hier auch veröffentlicht. Es fand auf diesem Weg eine Aussöhnung und Versöhnung statt. Und dadurch konnte auch Herr Zabarko aus Kiew mit seiner Familie 2022 nach Stuttgart fliehen, wieder vor einem unverständlichen und sinnlosen Krieg und erfährt hier eine große Unterstützung.

Herr Zabarko erlebte die Ghettoisierung als Kind in seiner Heimatstadt mit all dem menschenunwürdigen Umgang mit der jüdischen Bevölkerung, nicht nur der aus der Ukraine, sondern auch der aus Rumänien, die der deutsche Bündnispartner in diesem Krieg aus seinem Land deportiert hatte.

Mir persönlich blieb dabei sinngemäß ein Satz in Erinnerung: „Wie wir überlebten? Indem wir uns zusammenschlossen, gegenseitig beistanden, auch noch weitere 800 rumänische Deportierte aufnahmen und gemeinsam die Lage verbesserten. Und nicht den Egoismus in diesem Überlebenskampf haben siegen lassen.“

Neben seiner persönlichen Geschichte klärte er über den Holocaust in seinem Heimatland auf. 1,5 Millionen überlebten diesen nicht, das sind 25% der ukrainischen Bevölkerung. Und diese physische Vernichtung nur aufgrund einer Ideologie.

Ein großer Dank gilt Frau Schubert, die die Simultanübersetzung übernahm und dabei sensibel die Stimmung der Situation mit übertrug.

Herzlichen Dank für diese Möglichkeit einen Zeitzeugen erleben zu können.

 

Agnes Müller (Fachleiterin)

Dieses Gastgeschenk wurde von den 5. Klassen aus der AG Töpfern unter Leitung von Frau Metz angefertigt. Es soll eine Friedenstaube in den Farben der Ukraine darstellen.